Der scheidende Vorstand der Einbecker Brauhaus AG Martin Deutsch (58) spricht im Interview über die Herausforderungen der Pandemie und die Energiekrise. Für die Zukunft sieht er die Brauerei gut aufgestellt.
Herr Deutsch, seit 2015 sind Sie Vorstand der Einbecker Brauhaus AG. Bald verlassen Sie das Unternehmen. Der neue Vorstand steht mit Marc Kerger bereits fest. Ist dies ein emotionaler Abschied für Sie von der Brauerei und den Mitarbeitern sowie von der Region?
Martin Deutsch: Ja, das kann man sagen. Nach acht Jahren bin ich mit der Stadt Einbeck eng verbunden. Die Marke Einbecker, die Brauerei, die Mitarbeiter und auch die Menschen in der Stadt sind mir sehr ans Herz gewachsen. Die Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich hätte es mir hier in Einbeck deshalb noch etwas länger vorstellen können.
Warum hören Sie dann in Einbeck auf?
Martin Deutsch: Die Entscheidung kam vom Aufsichtsrat, der sich einen Wechsel in der Leitung der Brauerei wünscht. Wir trennen uns aber im Guten.
Erzählen Sie uns doch etwas über die aufregensten Momente Ihrer Amtszeit im Weserbergland?
Martin Deutsch: Ich habe mich in Einbeck von Anfang an sehr wohl gefühlt. Um die Landschaft kennenzulernen, bin ich viel gewandert. Im Harz habe ich zum Beispiel alle 222 Stempelstellen geschafft und damit den Harzer Wanderkaiser erreicht (schmunzelt). Die Menschen sind hier so wie die Sprache – gerade und klar. Damit komme ich gut zurecht. So haben sich für mich viele wertvolle Beziehungen und Freundschaften zu Mitarbeitern und Menschen aus der Region entwickelt, die ich nicht missen möchte.
Die Einbecker Brauhaus AG, deren Historie bis in das Jahr 1378 zurückreicht, zählt zu den bekanntesten Brauereien Deutschlands. Sie ist mit 140 Mitarbeitern die größte konzernfreie Brauerei Norddeutschlands. Wie hat sich die Brauerei in Ihrer Amtszeit verändert?
Martin Deutsch: Ich glaube, die Brauerei ist für die Zukunft sehr gut positioniert. Wir konnten zahlreiche Investitionsprojekte realisieren, die für die Einbecker Brauhaus AG einen klaren Mehrwert gebracht haben. Im Jahr 2015 haben wir zum Beispiel 15 Millionen Euro in die Brau- und Abfülltechnik investiert. Im Rahmen dieser Modernisierung sind eine zweite Abfüllanlage sowie eine Verladehalle mit Fassabfüllung entstanden. Hinzu kam eine neue Filtrationsanlage im Jahr 2019, die mit Fördergeldern finanziert wurde. Im Jahr 2022 investierten wir 1,5 Millionen Euro in eine brauereieigene Biogasanlage, welche 913 Tonnen CO2 pro Jahr einspart.
Sie haben die Brauerei in der Pandemie nicht nur auf Kurs gehalten, sondern darüber hinaus profitabel geleitet. Das war sicher eine große Herausforderung?
Martin Deutsch: Das kann man sagen. In der Coronakrise sind die Absätze in der Gastronomie sehr spürbar zurückgegangen. Zwar ist der Umsatz mit Flaschenbier leicht angestiegen, doch das Fassbier war zeitweise auf null. Die Flasche bietet jedoch deutlich weniger Deckungsbeitrag als Fassbier. Als die Coronakrise vorbei war, begann der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit steigenden Energie- und Rohstoffkosten, die alle Brauereien hart getroffen haben. Zwar war der Fassbierabsatz wieder da, aber dafür waren die Rohstoffe sehr viel teurer.
…und die Energie?
Martin Deutsch: Genau. Brauer erhitzen und kühlen. Das Bier macht dabei eine Temperaturkurve von 100 Grad auf fast null Grad durch. Wir erzeugen zum Glück aber einen Teil unseres Stroms selbst. Die zeitweise hohen Gaspreise haben uns ebenfalls nicht mit voller Härte getroffen, weil wir noch einen Vertrag hatten.
Auch dank der guten Zusammenarbeit im Team sind wir wohl besser als viele andere Brauereien durch die Krisen gekommen.
Geholfen haben dabei sicher auch die zahlreichen neuen Produkte von Einbecker, die in Ihrer Amtszeit auf den Markt gekommen sind?
Martin Deutsch: Bestimmt. Wir sind seit 2019 in der Lage, Biermischgetränke mit Zucker herzustellen. Vorher war es technisch leider nur mit Süßstoffen möglich. Mit dieser Möglichkeit haben wir zuerst das Radler alkoholfrei und das Naturradler auf den Markt gebracht, was sich gut entwickelt hat. Auch das Radler mit Blutorange läuft gut. Im Jahr 2023 brachten wir das erste Getränk ganz ohne Bier, „Cora“ genannt, aus Cola und Orange, wovon wir wesentlich mehr als die geplante Menge absetzen konnten. Die Hopfenfrucht hat leider nicht funktioniert. Das Biermischgetränkt mit Saft von Beckers Bester ohne Konservierungsstoffe und ohne Zucker kam leider in der Zeit des Lockdown, der den Absatz sehr gebremst hat. Es gab auch neue limitierte Bockbiere, die dem Einbecker Brauhaus durch die Krise geholfen haben.
Einbecker hat Ihnen also viel zu verdanken… Wissen Sie bereits, wohin es Sie nach Ihrem Abschied hinzieht?
Martin Deutsch: Die Zukunft ist bei mir bisher noch offen. Aber mit Sicherheit werde ich das schöne Weserbergland und die Stadt Einbeck sehr vermissen.